Goethes Naturwissenschaft: Spiraltendenz

ÜBER DIE SPIRALTENDENZ DER VEGETATION

[Handschriftlich um 1830; 183

Vorarbeit – Aphoristisch

Wenn ein Fall in der Naturbetrachtung vorkommt, der W uns stutzig macht, wo wir unsre gewöhnliche Vorstellungs- und Denkweise nicht ganz hinlänglich finden, um solchen zu bewältigen, so tun wir wohl uns umzusehn, ob nicht in der Geschichte des Denkens und Begreifens schon etwas Ähnliches verhandelt worden.

Diesmal wurden wir nur an die Homoiomerien des Anaxagoras erinnert, obgleich ein solcher Mann zu seiner Zeit sich begnügen mußte dasselbige durch dasselbige zu erklären. Wir aber, auf Erfahrung gestützt, können schon etwas dergleichen zu denken wagen.

Lassen wir beiseite, daß eben diese Homoiomerien sich bei urelementaren einfachen Erscheinungen eher anwenden lassen; allein hier haben wir auf einer hohen Stufe wirklich entdeckt, daß spirale Organe durch die ganze Pflanze im kleinsten durchgehen, und wir sind zugleich von einer spiralen Tendenz gewiß, wodurch die Pflanze ihren Lebensgang vollführt und zuletzt zum Abschluß und Vollkommenheit gelangt.

Lehnen wir also jene Vorstellung nicht ganz als ungenügend ab und beherzigen dabei, was ein vorzüglicher Mann einmal denken konnte, hat immer etwas hinter sich, wenn wir das Ausgesprochene auch nicht gleich uns zuzueignen und anzuwenden wissen.

Nach dieser neu eröffneten Ansicht wagen wir nun Folgendes auszusprechen: Hat man den Begriff der Metamorphose vollkommen gefaßt, so achtet man ferner, um die Ausbildung der Pflanze näher zu erkennen, zuerst auf die vertikale Tendenz. Diese ist anzusehen wie ein geistiger Stab, welcher das Dasein begründet und solches auf lange Zeit zu erhalten fähig ist. Dieses Lebensprinzip manifestiert sich in den Längenfasern, die wir als biegsame Fäden zu dem mannigfaltigsten Gebrauch benutzen; es ist dasjenige, was bei den Bäumen das Holz macht, was die einjährigen, zweijährigen aufrecht erhält, ja selbst in Tankenden kriechenden Gewächsen die Ausdehnung von Knoten zu Knoten bewirkt.

Sodann aber haben wir die Spiralrichtung zu beobachten, welche sich um jene herumschlingt.

Das vertikal aufsteigende System bewirkt bei vegetabilischer Bildung das Bestehende, seinerzeit Solideszierende, Verharrende; die Faden bei vorübergehenden Pflanzen, den größten Anteil am Holz bei dauernden.

Das Spiralsystem ist das Fortbildende, Vermehrende, Ernährende, als solches vorübergehend, sich von jenem gleichsam isolierend. Im Übermaß fortwirkend, ist es sehr bald hinfällig, dem Verderben ausgesetzt; an jenes angeschlossen, verwachsen beide zu einer dauernden Einheit als Holz oder sonstiges Solide.

Keins der beiden Systeme kann allein gedacht werden; sie sind immer und ewig beisammen; aber im völligen Gleichgewicht bringen sie das Vollkommenste der Vegetation hervor.

Da das Spiralsystem eigentlich das Nährende ist und Auge nach Auge sich in demselben entwickelt, so folgt daraus, daß übermäßige Nahrung demselben zugeführt, ihm das Übergewicht über das vertikale gibt, wodurch das Ganze seiner Stütze, gleichsam seines Knochenbaues beraubt, in übermäßiger Entwicklung der Augen sich übereilt und verliert.

So zum Beispiel hab ich die geplatteten, gewundenen Eschenzweige, welche man in ihrer höchsten Abnormität Bischofsstäbe nennen kann, niemals an ausgewachsenen hohen Bäumen gefunden, sondern an geköpften, wo den neuen Zweigen von dem alten Stamm übermäßige Nahrung zugeführt wird.

Auch andere Monstrositäten, die wir zunächst umständlicher vorführen werden, entstehen dadurch, daß jenes aufrechtstrebende Leben mit dem spiralen aus dem Gleichgewicht kommt, von diesem überflügelt wird, wodurch die Vertikalkonstruktion geschwächt und an der Pflanze, es sei nun das fadenartige System oder das Holz hervorbringende, in die Enge getrieben und gleichsam vernichtet wird, indem das spirale, von welchem Augen und Knospen abhängen, beschleunigt, der Zweig des Baums abgeplattet und, des Holzes ermangelnd, der Stengel der Pflanze aufgebläht und sein Inneres vernichtet wird; wobei denn immer die spirale Tendenz zum Vorschein kommt und sich im Winden und Krümmen und Schlingen darstellt. Nimmt man sich Beispiele vor Augen, so hat man einen gründlichen Text zu Auslegungen.

Die Spiralgefäße, welche längst bekannt und deren Existenz völlig anerkannt ist, sind also eigentlich nur als einzelne, der ganzen Spiraltendenz subordinierte Organe anzusehen; man hat sie überall aufgesucht und fast durchaus besonders im Splint gefunden, wo sie sogar ein gewisses Lebenszeichen von sich geben; und nichts ist der Natur gemäßer, als daß sie das, was sie im Ganzen intentioniert, durch das Einzelnste in Wirksamkeit setzt.

Diese Spiraltendenz, als Grundgesetz des Lebens, muß daher allererst bei der Entwicklung aus dem Samen sich hervortun. Wir wollen sie zuerst beachten, wie sie sich bei den Dikotyledonen manifestiert, wo die ersten Samenblätter entschieden gepaart erscheinen; denn obgleich bei diesen Pflanzen nach dem Dikotyledonenpaar abermals ein Pärchen schon mehr gebildeter Blätter sich übers Kreuz lagert und auch wohl eine solche Ordnung eine zeitlang fortgehen mag, so ist es doch offenbar, daß bei vielen das aufwärts folgende Stengelblättchen und das potentia oder artu hinter ihnen wohnende Auge sich mit einer solchen Sozietät nicht wohl verträgt, sondern immer eins dem andern vorzueilen sucht, woraus denn die allerwunderbarsten Stellungen entspringen und zuletzt, durch eilige Annäherung aller Teile einer solchen Reihe, die Annäherung zur Fruktifikation in der Blüte und zuletzt die Entwicklung der Frucht erfolgen muß.

An der Calla entwickeln sich sehr bald die Blattrippen zu Blattstielen, runden sich nach und nach, bis sie endlich ganz gerundet als Blumenstiel hervortreten. Die Blume ist offenbar ein Blattende, das alle grüne Farbe verloren hat, und indem seine Gefäße, ohne sich zu verästeln, vom Ansatz zur Peripherie gehen, sich von außen nach innen um den Kolben windet, welcher nun die vertikale Stellung als Blüten- und Fruchtstand behauptet.

Die Vertikaltendenz äußert sich von den ersten Anfängen des Keimens an; sie ist es, wodurch die Pflanze in der Erde wurzelt und zugleich sich in die Höhe hebt. Inwiefern sie ihre Rechte im Verfolg des Wachstums behauptet, wird wohl zu beachten sein, indem wir die rechtwinklige, alterne Stellung der dikotyledonischen Blätterpaare ihr durchaus zuschreiben, welches jedoch problematisch erscheinen möchte, da eine gewisse spirale Einwirkung im Fortsteigen nicht zu leugnen sein wird. Auf alle Fälle, wie sie sich auch möchte zurückgezogen haben, tritt sie im Blütenstande hervor, da sie die Achse jeder Blumengestaltung bildet, am deutlichsten aber im Kolben und in der Spatha sich manifestiert.

Die Spiralgefäße, welche den vegetabilen Organismus allgemein durchdringen, sind durch anatomische Forschungen, so wie die Abweichung ihrer Gestalt nach und nach ins klare gesetzt worden. Von ihnen, als solchen, ist gegenwärtig nicht zu handeln, da selbst angehende Pflanzenfreunde durch Kompendien davon unterrichtet sind und der zunehmende Kenner sich durch Hauptwerke, auch wohl durch Anschauung der Natur selbst, belehren kann.

Daß diese Gefäße den Pflanzenorganismus beleben, war längst vermutet, ob man schon das eigentliche Wirken derselben sich nicht genug zu erklären wußte.

In der neuern Zeit nunmehr hat man ernstlich darauf gedrungen sie als selbst lebendige anzuerkennen und darzustellen; hievon mag Folgender Aufsatz ein Zeugnis geben.

Edinbourough new philosophical Journal
October – December 1828 (Seite 21)

Über die allgemeine Gegenwart der Spiralgefässe in dem Pflanzenbau etc.
durch David Don

«Man hat allgemein geglaubt, daß man die Spiralgefässe selten in den Teilen der Fruktifikation finde, aber wiederholte Beobachtungen überzeugten mich, daß man ihnen fast in jedem Teile des Pflanzenbaues begegnet. Ich fand sie in dem Kelch, der Kröne, den Staubfäden, dem Griffel, der Scabiosa atro-purpurea und Phlox, in dem Kelch und den Kronenblättern des Geranium sanguineum, in dem Perianthium von Sisyrinchium striatum, in den Kapseln und dem Stiel der Nigella hispanica; auch sind sie in dem Pericarpium der Onagrarien, Kompositen und Malvazeen gegenwärtig.

Zu diesen Betrachtungen bin ich durch die geistreichen Bemerkungen des Herrn Lindley geführt worden, die er in der letzten Nummer des Botanical Register mitteilt – über den Bau der Samen der Collomia, welche er durch ein Geflecht von Spiralgefäßen eingewickelt uns darstellt. Diese Gefäße in den Polemoniazeen scheinen analog zu sein den Haaren oder Pappus, mit welchen die Samen gewisser Bignoniazeen, Apozineen und Malvazeen versehen sind. Aber fernere Beobachtungen wären noch nötig, ehe wir schließen können, daß es wahrhafte Spiralgefäße seien. Spiralgefäße sind sehr häufig in den Stengeln der Urtica nivea, Centaurea atro-purpurea, Heliopsis laevis, Helianthus altissimus, Aster Novi Belgii und salicifolius, in welchen allen sie dem nackten Auge sichtbar sind, und wonach diese Pflanzen den Liebhabern der Botanik als auffallende Beispiele der Spiralgefäße zu empfehlen wären. Die Stengel, auf zarte Weise der Länge nach gespalten und mit einem kleinen Keil am obern Ende auseinander gehalten, zeigen diese Gefäße viel deutlicher als bei einem Querbruch. Manchmal findet man diese Gefäße ihren Sitz habend in der Höhlung (pith) sowohl in Malope trifida als im Heliopsis laevis; aber man kann ihren Ursprung zwischen den Holzfasern gar wohl verfolgen. In der äußern Rinde hat man keine Spur gefunden, aber in dem Splint der innern Rinde des Pinus finden sie sich sowohl als in dem Albumen. Es ist mir jedoch nie gelungen sie in den Blättern dieses Geschlechts zu entdecken noch auch des Podocarpus, und sie scheinen überhaupt seltner in den Blättern von immergrünen Bäumen vorzukommen. Die Stengel und Blätter der Polemoniazeen, Irideen und Malvazeen sind gleichfalls mit Spiralgefäßen häufig versehen, doch aber kommen sie wohl nirgends so häufig vor als in den Compositae. Selten sind sie in Cruciferae, Leguminosae und Gentianeae.

Öfters hab ich bemerkt, wenn ich die Spiralgefäße von den jungen mächtigen Schößlingen krautartiger ‚Pflanzen absonderte, daß sie sich heftig bewegten. Diese Bewegung dauerte einige Sekunden und schien mir eine Wirkung des Lebensprinzips zu sein, dem ähnlich, welches in der tierischen Haushaltung stattfindet, und nicht eine bloß mechanische Aktion.

Indem ich zwischen meinem Finger einen kleinen Abschnitt der Rinde von Urtica nivea hielt, den ich soeben von dem lebenden Stamm getrennt hatte, ward meine Aufmerksamkeit auf eine besondere spiralähnliche Bewegung augenblicklich angezogen. Der Versuch ward öfter mit andern Teilen der Rinde wiederholt, und die Bewegung war in jedem Fall der ersten gleich. Es war offenbar die Wirkung einer zusammenziehenden Gewalt der lebenden Fiber, denn die Bewegung hörte auf, nachdem ich die Stückchen Rinde einige Minuten in der Hand gehalten hatte. Möge diese kurze Notiz die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf dieses sonderbare Phänomen hinleiten.»

Bulletin des sciences naturelles Nro. 2

Février 1829, p. 242

Lupinus polyphyllus. Eine neue Art, welche Herr Douglas im Nordwesten von Amerika gefunden hat. Sie ist krautartig, lebhaft-kräftig und nähert sich Lupinus perennis der Nootkatensis, ist; aber in allen Dimensionen größer und die Stengelblätter, an Zahl elf bis fünfzehn, lanzettförmig, auch findet sich noch einiger Unterschied von jenen in der Bildung des Kelches und der Krone.

Durch diese Pflanze veranlaßt, macht Herr Lindley aufmerksam, daß ihr Blütenstand ein bedeutendes Beispiel gibt zugunsten nachfolgender Theorie: daß nämlich alle Organe einer Pflanze wirklich im Wechsel gestellt sind und zwar in einer spiralen Richtung um den Stengel her, der die gemeinsame Achse bildet, und dieses gelte, selbst wenn es auch nicht überall genau zutreffen sollte.

Recherches anatomiques et physiologiques sur la structure intime des animaux et des végetaux, et sur leur mobilité; par M. H. Dutrochet 1824 (S. Revue française 1830. Nro. 16. pag. 100 sq.)

«Vorzüglich auf die Sensitive, welche im höchsten Grad die Phänomene der Reizbarkeit und Beweglichkeit der Pflanzen darstellt, hat der Autor seine Erfahrungen gerichtet. Das eigentliche Prinzip der Bewegung dieser Pflanze ruht in der Aufschwellung, welche sich an der Base des Blattstieles befindet, und an der Einfügung der Blätter durch die pinnules. Dieses Wülstchen wird gebildet durch die Entwicklung des Rinden-Parenchyms und enthält eine große Menge kugeliger Zellen, deren Wände mit Nervenkörperchen bedeckt sind; dergleichen sind auch sehr zahlreich in den Stengelblättern, und man findet sie häufig wieder in dem Safte, welcher abfließt, wenn man einen jungen Zweig der Sensitive wegschneidet.

Die Entwicklung aber des Rinden-Parenchyms, welches den bedeutendsten Anteil an dem Wülstchen der Sensitive hat, umgibt eine Mitte, die durch einen Röhrenbündel gebildet wird. Es war bedeutend zu erfahren, welcher der beiden Teile das eigentliche Organ der Bewegung sei; das Parenchym war weggenommen, das Blatt fuhr fort zu leben, aber es hatte die Fähigkeit verloren sich zu bewegen. Diese Erfahrung zeigt also, daß in dem Rindenteil der Aufblähung die Beweglichkeit vorhanden ist, welche man, wenigstens durch ihre Funktionen, dem Muskularsystem der Tiere vergleichen kann.

Herr Dutrochet hat überdies erkannt, daß kleine hievon abgeschnittene Teile, ins Wasser geworfen, sich auf die Weise bewegen, daß sie eine krumme Linie beschreiben, deren tiefe Seite jederzeit sich nach dem Mittelpunkt des Wülstchens richtet. Diese Bewegung belegt er mit dem allgemeinen Namen der Inkurvation, welche er ansieht als das Element aller Bewegungen, welche in den Vegetabilien, ja in den Tieren vorgehen. Diese Inkurvation zeigt sich übrigens auf zwei verschiedene Weisen; die erste nennt der Verfasser oszillierende Inkurvation, also benannt, weil sie einen Wechsel von Beugung und Anziehung bemerken läßt; die zweite aber, die fixe Inkurvation, welche keinen solchen Wechsel von Bewegungen zeigt, jene ist die, die man in der Sensitive bemerkt, und diese bemerkt man in den Vrillen und in den schlänglichen Stengeln der Konvolveln, der Clematis, der Bohnen und so weiter. Aus diesen Beobachtungen schließt Herr Dutrochet, daß die Reizbarkeit der Sensitive aus einer vitalen Inkurvation ihren Ursprung nehme.»

Vorstehende, diese Angelegenheit immer mehr ins klare setzende Äußerungen kamen mir dennoch später zur Kenntnis, als ich schon an den viel weiter schauenden Ansichten unsres teuren Ritter von Martius lebhaften Anteil genommen hatte. In zweien nach jahresfrist aufeinander folgenden Vorlesungen hatte er in München und Berlin sich umständlich und deutlich genug hierüber erklärt. Ein freundlicher Besuch desselben, als er von dem letztern Orte zurückkam, gewährte mir in dieser schwierigen Sache eine mündliche Nachweisung, welche sich durch charakteristische, wenn schon flüchtige Zeichnung noch mehr ins klare setzte. Die in der Isis, Jahrgang 1828 und 1819 abgedruckten Aufsätze wurden mit nun zugänglicher, und die Nachbildung eines an jenem Orte vorgewiesenen Modells ward mir durch die Geneigtheit des Forschers und zeigte sich zur Versinnlichung, wie Kelch, Krone und die Befruchtungswerkzeuge entstehen, höchst dienlich.

Auf diese Weise war die wichtige Angelegenheit auf den Weg einer praktisch-didaktischen Ausarbeitung und Anwendung geführt, und wenn der immer fortschreitende Mann, wie er mir vertrauen wollen, um die Anfänge einer solchen allgemeinen Tendenz zu entdecken, sich bis zu den ersten Elementen der Wissenschaft, zu den Akotyledonen gewendet hat, so werden wir den ganzen Umfang der Lehre, von ihm ausgearbeitet, nach und nach zu erwarten haben.

Ich erlaube mit indessen, nach meiner Weise in der mittlern Region zu verharren und zu versuchen, wie durch allgemeine Betrachtung der Anfang mit dem Ende und das Erste mit dem Letzten, das Längstbekannte mit dem Neuen, das Feststehende mit dem Zweifelhaften in Verbindung zu bringen sei. Für diesen Versuch darf ich wohl, da er nicht abzuschließen, sondern bloß zu fördern die Absicht hat, den Anteil der edlen Naturforscher mit erbitten.

Wir mußten annehmen: es walte in der Vegetation eine allgemeine Spiraltendenz, wodurch, in Verbindung mit dem vertikalen Streben, aller Bau, jede Bildung der Pflanzen nach dem Gesetze der Metamorphose vollbracht wird.

Die zwei Haupttendenzen also, oder wenn man will, die beiden lebendigen Systeme, wodurch das Pflanzenleben sich wachsend vollendet, sind das Vertikalsystem und das Spiralsystem; keins kann von dem andern abgesondert gedacht werden, weil eins durch das andere nur lebendig wirkt. Aber nötig ist es zur bestimmteren Einsicht, besonders aber zu einem deutlichem Vortrag, sie in der Betrachtung zu trennen, und zu untersuchen, wo eins oder das andere walte, da es denn bald, ohne seinen Gegensatz zu überwältigen, von ihm überwältigt wird, oder sich ins gleiche stellt, wodurch uns die Eigenschaften dieses unzertrennlichen Paares desto anschaulicher werden müssen.

Das Vertikalsystem, mächtig, aber einfach, ist dasjenige, wodurch die offenbare Pflanze sich von der Wurzel absondert und sich in gerader Richtung gegen den Himmel erhebt; es ist verwaltend bei Monokotyledonen, deren Blätter schon sich aus geraden Fasern bilden, die unter gewissen Bedingungen sich leicht voneinander trennen und als starke Fäden zu mancherlei Gebrauch haltbar sind. Wir dürfen hier nur der Phormium tenax gedenken; und so sind die Blätter der Palme durchgängig aus geraden Fasern bestehend, welche nur in frühster Jugend zusammenhängen, nachher aber, den Gesetzen der Metamorphose gemäß, in sich selbst getrennt und durch fortgesetzten Wachstum vervielfältigt erscheinen.

Aus den Blättern der Monokotyledonen entwickeln sich öfters unmittelbar die Stengel, indem das Blatt sich aufbläht und zur hohlen Röhre wird, alsdann aber tritt an der Spitze desselben schon die Achsenstellung dreier Blattspitzen und also die Spiraltendenz hervor, woraus sodann der Blumen- und Fruchtbüschel sich erhebt, wie solcher Fall im Geschlechte der Allien sich ereignet.

Merklich jedoch ist die Vertikaltendenz auch über die Blume hinaus, und des Blüten- und Fruchtstandes sich bemächtigend. Der gerad aufsteigende Stengel der Calla aethiopica zeigt oben seine Blattnatur zugleich mit der Spiraltendenz, indem sich die Blume einblättrig um die Spitze windet, durch welche jedoch die blüten- und fruchttragende Säule vertikal hervorwächst. Ob nun um diese Säule, nicht weniger um die der Arum, des Mais und anderer, sich die Früchte in spiraler Bewegung aneinander schließen, wie es wahrscheinlich ist, möge fernerhin untersucht werden.

Auf alle Fälle ist diese Kolumnartendenz als Abschluß des Wachstums wohl zu beachten.

Denn wir treffen, indem wir uns bei den Dikotyledonen umsehen, diese Vertikaltendenz, wodurch die sukzessive Entwicklung der Stengelblätter und Augen in einer Folge begünstigt wird, mit dem Spiralsystem, wodurch die Fruktifikation abgeschlossen werden sollte, im Konflikt; eine durchgewachsene Rose gibt hievon das schönste Zeugnis.

Dagegen haben wir eben in dieser Klasse die entschiedensten Beispiele von einer durchgesetzten Vertikaltendenz und möglichstes Beseitigung der gegenteiligen Einwirkung. Wir wollen nur von dem gewöhnlichsten Lein reden, welcher durch die entschiedenste Vertikalbildung sich zur allgemeinen Nutzbarkeit qualifiziert. Die äußere Hülle und der innere Faden steigen stracks und innigst vereint hinauf; man gedenke, welche Mühe es kostet, eben diese Spreu vom Faden zu sondern, wie unverweslich und unzerreißbar derselbe ist, wenn die äußere Hülle, selbst mit dem größten Widerstreben, den durch die Natur bestimmten Zusammenhang aufgeben soll. Zufällig hat sich das Rösten der Pflanze einen ganzen Winter unter dem Schnee fortgesetzt, und der Faden ist dadurch nur schöner und dauerhafter geworden.

Überhaupt aber, was braucht es mehr Zeugnis, da wir ja unser ganzes Leben hindurch von Leinwand umgeben sind, welche durch Waschen und Wiederwaschen, durch Bleichen und Wiederbleichen endlich das elementare Ansehen reiner irdischer Materien als ein blendendes Weiß gewinnt und wiedergewinnt.

Hier nun, auf dem Scheidepunkt, wo ich die Betrachtung der Vertikaltendenz zu verlassen und mich zu der Spirale zu wenden gedenke, begegnet mir die Frage: ob die alterne Stellung der Blätter, die wir an dem emporwachsenden Stengel der Dikotyledonen bemerken, diesem oder jenem System angehöre? Und ich will gestehen, daß mir scheinen als ob sie jenem, dem Vertikalsystem, zuzuschreiben sei, und daß eben durch diese Art des Hervorbringens das Streben nach der Höhe in senkrechter Richtung bewirkt werde. Diese Stellung nun kann in einer gewissen Folge, unter gegebenen Bedingungen und Einflüssen, von der Spiraltendenz ergriffen werden, wodurch aber jene unbeständig erscheint und zuletzt gar unmerklich wird, ja verschwindet.

Doch wir treten nun auf den Standpunkt, wo wir die Spiraltendenz ohne weiteres gewahr werden.

Ob wir gleich oben die so viel beobachteten Spiralgefäße zu betrachten abgelehnt haben, ob wir sie gleich als Homoiomerien oder das Ganze verkündende und konstituierende Teile zu schätzen wußten, so wollen wir doch hier nicht unterlassen, der elementaren mikroskopischen Pflanzen zu gedenken, welche als Oszillarien bekannt und uns durch die Kunst höchst vergrößert dargestellt worden; sie erweisen sich durchaus schraubenförmig und ihr Dasein und Wachstum in solcher merkwürdigen Bewegung, daß man zweifelhaft ist, ob man sie nicht unter die Tiere zählen solle. Wie denn die erweiterte Kenntnis und tiefere Einsicht in die Natur uns erst vollkommen von dem allen vergönnten, grenzenlosen und unverwüstlichen Leben ein entschiedeneres Anschauen gewähren wird; daher wir denn oberwähntem Beobachter gar gerne glauben wollen, daß die frische Rinde einer Nessel ihm eine besondere spirale Bewegung angedeutet habe.

Um uns nun aber zur eigentlichen Spiraltendenz zu wenden, so verweisen wir auf obiges, was von unseren Freunde von Martius ausgeführt worden, welcher diese Tendenz in ihrer Machtvollkommenheit als Abschluß des Blütenstandes dargestellt, und begnügen uns einiges hierher Gehörige, teils auf das Allgemeine, teils auf das Intermediäre bezüglich, beizubringen, welches methodisch vorzutragen erst künftigen denkenden Forschern möchte anheimgegeben sein.

Auffallend ist das Übergewicht der Spiraltendenz bei den Konvolveln, welche von ihrem ersten Ursprung an weder steigend noch kriechend ihre Existenz fortsetzen können, sondern genötigt sind, irgendein Gradaufsteigendes zu suchen, woran sie immerfort sich windend hin in die Höhe klimmen können.

Gerade aber diese Eigenschaft gibt Gelegenheit, unsern Betrachtungen durch ein sinnliches Beispiel und Gleichnis zu Hilfe zu kommen.

Man trete zur Sommerzeit vor eine im Gartenboden eingesteckte Stange, an welcher eine Winde von unten an sich fortschlängelnd in die Höhe steigt, sich festanschließend ihren lebendigen Wachstum verfolgt. Man denke sich nun Konvolvel und Stange, beide gleich lebendig, aus einer Wurzel aufsteigend, sich wechselsweise hervorbringend und so unaufhaltsam fortschreitend. Wer sich diesen Anblick in ein inneres Anschauen verwandeln kann, der wird sich den Begriff sehr erleichtert haben. Die rankende Pflanze sucht das außer sich, was sie sich selbst geben sollte und nicht vermag.

Das Spiralsystem ist für den ersten Anblick offenbarer in den Dikotyledonen. Solches in den Monokotyledonen und weiter hinab aufzusuchen, bleibt vorbehalten.

Wir haben die rankende Konvolvel gewählt. Gar manches andere dergleichen wird sich finden.

Nun sehen wir jene Spiraltendenz in den Gäbelchen, in den Vrillen.

Diese erscheinen auch wohl an den Enden zusammengesetzter Blätter, wo sie ihre Tendenzsich zu rollen, gar wohl manifestieren.

Die eigentlichen, völlig blattlosen Vrillen sind als Zweige anzusehen, denen die Solideszenz abgeht, die voll Saft und biegsam eine besondere Irritabilität zeigen.

Vrille der Passionsblume, sich für sich selbst zusammenrollend.

Andere müssen durch äußern Reiz angeregt und aufgefordert werden.

Mir ist der Weinstock das höchste Musterbild. Man sehe, wie die Gäbelchen sich ausstrecken, von irgendwoher eine Berührung suchend; irgendwo angelehnt, fassen sie, klammern sie sich an.

Es sind Zweige, dieselbigen welche Trauben tragen. Einzelne Beeren findet man wohl an den Böcklein.

Merkwürdig ist es, daß der dritte Knoten an der Weinranke keine Vrille hervorbringt; wohin das zu deuten sei, ist uns nicht klar geworden.

Die Spiralgefäße betrachten wir als die kleinsten Teile, welche dem Ganzen, dem sie angehören, vollkommen gleich sind, und, als Homoiomerien angesehen, ihm ihre Eigenheiten mitteilen und von demselben wieder Eigenschaft und Bestimmung erhalten. Es wird ihnen ein Selbstleben zugeschrieben, die Kraft sich an und für sich einzeln zu bewegen und eine gewisse Richtung anzunehmen. Der vortreffliche Dutrochet nennt sie eine vitale Inkurvation. Diesen Geheimnissen näher zu treten, finden wir uns hier weiter nicht aufgefordert.

Gehen wir ins Allgemeine zurück: das Spiralsystem ist abschließend, den Abschluß befördernd.

Und zwar auf gesetzliche vollendende Weise. Sodann aber auch auf ungesetzliche, voreilende und vernichtende Weise.

Wie die gesetzliche wirke, um Blumen, Blüten und Keime zu bilden, hat unser hochbelobter von Mattius umständlich ausgeführt. Dieses Gesetz entwickelt sich unmittelbar aus der Metamorphose, aber es bedurfte eines scharfsinnigen Beobachters, um es wahrzunehmen und darzustellen. Denn wenn wir uns die Blume als einen herangezogenen, als um eine Achse sich umherschlängelnden Zweig denken, dessen Augen hier in die Enge der Einheit gebracht werden, so folgt daraus, daß sie hintereinander und nacheinander im Kreise sich einfinden und sich also einfach oder vervielfacht umeinander ordnen müssen.

Die unregelmäßige Spiralwirkung ist als ein übereilter unfruchtbarer Abschluß zu denken: irgendein Stengel, ein Zweig, ein Ast, wird in den Zustand versetzt, daß der Splint, in welchem eigentlich das Spiralleben wirksam ist, verwaltend zunimmt und daß die Holz- oder sonstige Dauerbildung nicht stattfinden kann.

Nehmen wir einen Eschenzweig vor uns, der sich in diesem Fall befindet; der Splint, der durch das Holz nicht auseinander gehalten wird, drängt sich zusammen und bewirkt eine flache vegetabilische Erscheinung; zugleich zieht sich das ganze Wachstum zusammen und die Augen, welche sich sukzessiv entwickeln sollten, erscheinen nun gedrängt und endlich gar in ungetrennter Reihe; indessen hat sich das Ganze gebogen; das übrig gebliebene Holzhafte macht den Rücken, und die einwärts gekehrte, einem Bischofsstabe ähnliche Bildung stellt eine höchst merkwürdige abnorme Monstrosität vor.

Wie wir uns nun aus dem Bisherigen überzeugen können: das eigentliche Pflanzenleben werde durch die Spiraltendenz vorzüglich gefördert, so läßt sich auch nachweisen, daß die Spur derselben in dem Fertigen, Dauernden zurückbleibe.

Die in ihrer völligen Freiheit herunterhängenden frischen Fadenzweige des Lycium europaeum zeigen nur einen geraden fadenartigen Wuchs. Wird die Pflanze älter, trockner, so bemerkt man deutlich, daß sie sich von Knoten zu Knoten zu einer Windung hinneigt.

Sogar starke Bäume werden im Alter von solcher Richtung ergriffen; hundertjährige Kastanienbäume findet man an der Belvedereschen Chaussee stark gewunden und die Starrheit der geradaufsteigenden Tendenz auf die sonderbarste Weise besiegt.

In dem Park hinter Belvedere finden sich drei schlanke, hochgewachsene Stämme von Crataegus torminalis, Adelsbeere, so deutlich von unten bis oben spiralgewandt, daß es nicht zu verkennen ist. Diese empfiehlt man besonders dem Beobachter.

Blumen, die vor dem Aufblühen gefaltet und spiral sich entwickelnd vorkommen; andere, die beim Vertrocknen eine Windung zeigen.

Pandanus odoratissimus windet sich spiral von der Wurzel auf.

Ophrys spiralis windet sich dergestalt, daß alle Blüten auf eine Seite kommen.

Die Flora subterranea gibt uns Anlaß, ihre en échiquier gereihten Augen als aus einer sehr regelmäßigen Spiraltendenz hervorgehend zu betrachten.

An einer Kartoffel, welche auf eines Fußes Länge gewachsen war, die man an ihrer dicksten Stelle kaum umspannen konnte, war von dem Punkte ihres Ansatzes an aufs deutlichste eine Spiralfolge der Augen bis auf ihren höchsten Gipfel von der Linken zur Rechten hinaufwärts zu bemerken.

Bei den Farnen ist bis an ihre letzte Vollendung alles Treiben, vom horizontalliegenden Stamme ausgehend, seitlich nach oben gerichtet, Blatt und Zweig zugleich, deshalb auch die Fruchtteile tragend und aus sich entwickelnd. Alles was wir Farn nennen, hat seine eigentümliche spiralige Entwicklung. In immer kleinere Kreise zusammengerollt erscheinen die Zweige jenes horizontal liegenden Stockes und rollen sich auf, in doppelter Richtung, einmal aus der Spirale der Rippe, dann aber aus den eingebogenen Fiedern der seitlichen Richtung von der Rippe, die Rippchen nach außen.

Siehe Reichenbach, Botanik für Damen, Seite 288.

Die Birke wächst gleich vorn untersten Stammende an, und zwar ohne Ausnahme, spiralförmig in die Höhe. Spaltet man den Stamm nach seinem natürlichen Wachstum, so zeigt sich die Bewegung von der Linken zur Rechten bis in den Gipfel, und eine Birke, welche 6o bis So Fuß Höhe hat, dreht sich ein-, auch zweimal der ganzen Länge nach um sich herum. Das weniger oder mehr Spirale, behauptet der Böttcher, entstehe daher, wenn ein Stamm der Witterung mehr oder minder ausgesetzt sei; denn ein Stamm, der frei stehe, zum Exempel außen an einer Brane, die besonders der Westseite ausgesetzt ist, manifestiere die Spiralbewegung weit augenfälliger und deutlicher, als bei einem Stamme, welcher im Dickicht des Holzes wachse. Vornehmlich aber kann diese Spiralbewegung an den sogenannten Reifbirken wahrgenommen werden. Eine junge Birke, die zu Reifen verbraucht werden soll, wird inmitten getrennt; folgt das Messer dem Holze, so wird der Reif unbrauchbar. denn er dreht sich, wie bei älteren Stämmen schon bemerkt worden, ein auch zweimal um sich herum. Deswegen braucht der Böttcher auch eigene Instrumente, dieselben gut und brauchbar zu trennen; und dies gilt auch von seiten der Scheite des älteren Holzes, welches zu Dauben oder sonst verbraucht wird. denn bei Trennung desselben müssen Keile von Eisen angewendet werden, die das Holz mehr schneiden als spalten, sonst wird es unbrauchbar.

Daß das Wetter, Wind, Regen, Schnee große Einwirkung auf die Entwicklung der Spiralbewegung haben mag, geht daraus hervor, daß eben diese Reifbirken, aus dem Dickicht geschlagen, weit weniger der Spiralbewegung unterworfen sind als die, so einzeln und nicht durch Gebüsch und größere Bäume stehen.

Herr Oberlandjägermeister von Fritsch äußerte Ende August in Ilmenau, als die Spiraltendenz zur Sprache kam, daß unter den Kiefern Fälle vorkämen, wo der Stamm von unten bis oben eine gedrehte, gewundene Wirkung annehme; man habe geglaubt, da man dergleichen Bäume an der Brane gefunden, eine äußere Wirkung durch heftige Stürme sei die Veranlassung; man finde aber dergleichen auch in den dichtesten Forsten und es wiederhole sich der Fall nach einer gewissen Proportion, so daß man ein bis etwa anderthalb Prozent im ganzen das Vorkommen rechnen könnte.

Solche Stämme würden in mehr als einer Hinsicht beachtet, indem das Holz derselben nicht wohl, zu Scheiten geschnitten, in Klaftern gelegt worden könnte; auch ein solcher Stamm zu Bauholz nicht zu brauchen sei, weil seine Wirkung immer fortdauernd durch ein heimliches Drehen eine ganze Kontignation aus ihren Fugen zu rücken die Gewalt habe.

Aus dem vorigen erhellt, daß während dem Austrocknen des Holzes die Krümmung sich fortsetzt und sich bis zu einem hohen Grade steigert, wie wir im vorigen gar manche durch Vertrocknung zuerst entstehende und sichtbar werdende Spiralbewegung erkennen werden.

Die vertrockneten Schoten des Lathyrus furens, nach vollkommen abgeschlossener Reife der Frucht, springen auf und rollen sich jede nach auswärts streng zusammen. Bricht man eine solche Schote auf, ehe sie vollkommen reif ist, so zeigt sich gleichfalls diese Schraubenrichtung, nur nicht so stark und nicht so vollkommen.

Die gerade Richtung ähnlicher Pflanzenteile wird verschiedentlich gleichermaßen abgelenkt. Die Schoten der im feuchten Sommer wachsenden Schwertbohnen fangen an sich zu winden, einige schneckenartig, andere in vollkommener Spirale.

Die Blätter der italienischen Pappel haben sehr zarte, straffe. Blattstiele. Diese, von Insekten gestochen, verlieren ihre gerade Richtung und nehmen die spirale alsobald an, in zwei oder auch mehreren Windungen.

Schwillt das Gehäus des eingeschlossenen Insekts hiernach auf, so drängen sich die Seiten des erweiterten Stiels dergestalt aneinander, daß sie zu einer Art von Vereinigung gelangen. Aber an diesen Stellen kann man das Nest leicht auseinander brechen und die frühere Gestaltung des gewundenen Stiels gar wohl bemerken.

Pappus am Samen des Erodium gruinum, der bis zur völligen Reife und Vertrocknung vertikal an der Stütze, um welche die Samen versammelt sind, sich strack gehalten, nunmehr aber sich schnell elastisch ringelt und sich dadurch selbst umherwirft.

Wir haben zwar abgelehnt, von den Spiralgefäßen als solchen besonders zu handeln, finden uns aber doch genötigt, noch weiter zu der mikroskopischen Elementarbotanik zurückzugehen und an die Oszillarien zu erinnern, deren ganze Existenz spiral ist. Merkwürdiger vielleicht sind noch die unter den Namen Salmacis aufgeführten, wo die Spirale aus lauter sich berührenden Kügelchen besteht.

Solche Andeutungen müssen aufs leiseste geschehen, um uns an die ewige Kongruenz zu erinnern.

Wenn man die Stiele des Löwenzahns an einem Ende aufschlitzt, die beiden Seiten des hohlen Röhrchens sachte voneinander trennt, so rollt sich jede in sich nach außen und hängt in Gefolg dessen als eine gewundene Locke spiralförmig zugespitzt herab, woran sich die Kinder ergötzen und wir dem tiefsten Naturgeheimnis näher treten.

Da diese Stengel hohl und saftig sind, folglich ganz als Splint angesehen werden können, die Spiraltendenz aber dem Splint als dem lebendig Fortschreitenden angehört, so wird uns hier zugleich mit der stracksten vertikalen Richtung noch das verborgenste Spiralbestreben vor die Augen gebracht. Vielleicht gelänge es durch genauere, auch wohl mikroskopische Behandlung das Verflechten der Vertikal- und Spiraltextur näher kennen zu lernen.

Ein glückliches Beispiel, wie beide Systeme, mit denen wir uns beschäftigen, sich nebeneinander höchst bedeutend entwickeln, gibt uns die Vallisneria, wie wir solche aus den neuesten Untersuchungen des Kustoden am königlichen botanischen Garten zu Mantua, Paolo Barbieri, kennen lernen. Wir geben seinen Aufsatz auszugsweise übersetzt, mit unsern eingeschalteten und angefügten Bemerkungen, insofern wir den beabsichtigten Zwecken dadurch näher zu treten hoffen.

Die Vallisneria wurzelt im Grunde eines nicht allzu tiefen stehenden Wassers, sie blüht in den Monaten Juni, Juli und August, und zwar in getrennten Geschlechtern. Das männliche Individuum zeigt sich auf einem grad aufstrebenden Schaft, welcher, sobald er die Oberfläche des Wassers erreicht, an seiner Spitze eine vierblättrige (vielleicht dreiblättrige) Scheide bildet, worin sich die Fruchtwerkzeuge angeheftet an einem konischen Kolben befinden.

Wenn die Stamina noch nicht genugsam entwickelt sind so ist die Hälfte der Scheide leer, und beobachtet man sie alsdann mikroskopisch, so findet man, daß die innere Feuchtigkeit sich regt, um das Wachstum der Scheide zu befördern, und zu gleicher Zeit im Stiele sich kreisförmig bewegend zum Kolben, der die Stamina trägt, hinaufstrebt, wodurch Wachstum und Ausdehnung des Kolbens zugleich mit dem Wachstum der Befruchtungswerkzeuge bezweckt wird.

Durch diese Zunahme des Kolbens jedoch ist die Scheide nicht mehr hinreichend, die Stamina zu umhüllen; sie teilt sich daher in vier Teile, und die Fruchtwerkzeuge, sich von dem Kolben zu Tausenden ablösend, verbreiten sich schwimmend auf dem Wasser, anzusehen wie silberweiße Flocken, welche sich nach dem weiblichen Individuum gleichsam bemühen und bestreben. Dieses aber steigt aus dem Grunde der Wasser, indem die Federkraft seines spiralen Stengels nachläßt, und eröffnet sodann auf der Oberfläche eine dreigeteilte Krone, worin man drei Narben bemerkt. Die auf dem Wasser schwimmenden Flocken streuen ihren Staminalstaub gegen jene Stigmen und befruchten sie; ist dieses geleistet, so zieht sich der Spiralstengel des Weibchens unter das Wasser zurück, wo nun die Samen, in einer zylindrischen Kapsel enthalten, zur endlichen Reife gelangen.

Alle die Autoren, welche von der Vallisneria gesprochen haben, erzählten die Art der Befruchtung auf verschiedene Weise. Sie sagten, der ganze Komplex der männlichen Blume löse sich los von dem kurzen, unter dem Wasser beharrlichen Stengel, von welchem er sich durch heftige Bewegung absondere und befreie. Unser Beobachter versuchte Knospen der männlichen Blumen von ihrem Stengel abzulösen und fand, daß keine auf dem Wasser hin und wider schwamm, daß alle vielmehr zu Grunde sanken. Von größerer Bedeutung aber ist die Struktur, wodurch der Stengel mit der Blume verbunden wird. Hier ist keine Artikulation zu sehen, welche sich doch bei allen Pflanzenorganen findet, die sich trennen lassen. Derselbe Beobachter untersuchte die silberweißen Flocken und erkannte sie als eigentliche Antheren; indem er den Kolben leer von allen solchen Gefäßen fand, so bemerkte er an denselben zarte Fäden, woran noch einige Antheren befestigt waren, die auf einem kleinen dreigeteilten Diskus ruhten, welches gewiß die dreigeteilten Korollen sind, worin die Antheren eingeschlossen waren.

Indem wir nun dieses merkwürdige, vielleicht an anderen Pflanzen sich wiederholende Beispiel der Betrachtung .nachdenkender Naturforscher empfehlen, so können wir nicht unterlassen, diese augenfällige Erscheinung, einiges wiederholend, ferner zu besprechen.

Die Vertikaltendenz ist hier dem männlichen Individuum eigen; der Stengel steigt ohne weiteres gerade in die Höhe, und wie er die Oberfläche des Wassers erreicht, entwickelt sich unmittelbar die Scheide aus dem Stengel selbst, genau mit ihm verbunden, und hüllt den Kolben ein, nach Analogie der Calla und ähnlicher.

Wir werden dadurch das Märchen los von einem Gelenke, das ganz unnatürlich zwischen dem Stengel und der Blume angebracht, ihr die Möglichkeit verschaffen sollte sich abzulösen und lüstern auf die Freite zu gehen. An Luft und Licht und ihren Einflüssen entwickelt sich erst die männliche Blüte, aber fest mit ihrem Stengel verbunden; die Antheren springen von ihren Stielchen und schwimmen lustig auf dem Wasser umher. Indessen mildert der Spiralstengel des Weibchens seine Federkraft, die Blume erreicht die Oberfläche des Wassers, entfaltet sich und nimmt den befruchtenden Einfluß auf. Die bedeutende Veränderung, welche nach der Befruchtung in allen Pflanzen vorgeht und welche immer etwas auf Erstarrung hindeutet, wirkt auch hier. Die Spiralität des Stengels wird angestrengt, und dieser bewegt sich wieder zurück, wie er gekommen ist, worauf denn der Same zur Reife gedeiht.

Gedenken wir an jenes Gleichnis, das wir oben von Stab und Konvolvel gewagt haben, gehen wir einen Schritt weiter und vergegenwärtigen uns die Rebe, die sich um den Ulmbaum schlingt, so sehen wir hier das Weibliche und Männliche, das Bedürftige, das Gewährende nebeneinander in vertikaler und spiraler Richtung von der Natur unsern Betrachtungen empfohlen.

Kehren wir nun ins Allgemeinste zurück und erinnern an das, was wir gleich anfangs aufstellten: das vertikal- sowie das spiralstrebende System sei in der lebendigen Pflanze aufs innigste verbunden, sehen wir nun hier jenes als entschieden männlich, dieses als entschieden weiblich sich erweisen: so können wir uns die ganze Vegetation von der Wurzel auf androgynisch insgeheim verbunden vorstellen; worauf denn in Verfolg der Wandlungen des Wachstums die beiden Systeme sich im offenbaren Gegensatz auseinander sondern, und sich entschieden einander gegenüberstellen, um sich in einem höhern Sinne wieder zu vereinigen.

 

Weimar, im Herbst 1831